Hallo Mamaru,
Ich betreue und trainiere seit vier Jahren eine Kindergruppe mit der Ausrichtung Seekajak.
Mit dieser Gruppe bin ich gestartet als die Kinder ca. 6 Jahre alt waren, nun sind sie 10.
Der Großteil der Gruppe ist noch dabei, und ich könnte entsprechend der Anfragen sicher 5 solcher Gruppen aufmachen, der Bedarf ist da.
Aus dem Feedback der Kinder und Eltern und aus meiner eigenen Einschätzung heraus denke ich dass mein Konzept erfolgreich ist
und die Idee voll aufgeht.
„Seekajak“ ist ein dehnbarer Begriff, und Sicherheit der wichtigste Aspekt, daher habe ich folgende Konzeption zugrunde gelegt:
- Revier:
Ich bin hier am Greifswalder Bodden in der Dänischen Wiek und damit weder Tiden-beeinflusst/beeinträchtigt noch rauher See ausgesetzt.
Das wäre auch meine Empfehlung: Wassercharakter sollte Großgewässer sein.
Dazu ist es wichtig in einem Stehbereich zu beginnen: wir haben zu zweit sechs Kinder in einem Stehbereich gecoacht,
dh Du kannst ein gekentertes Kind jederzeit Fussläufig über einen Bereich von 50 m erreichen.
- Kajaks:
Ich halte größenangepasste Kajaks für ein absolutes Muss: Wir sind mit 6 Aquarius Piccolo gestartet, die mir freundlicherweise von Kayak4You gesponsert wurden,
weil Peter Müller von der Idee ebenfalls begeistert war und ebenfalls den Bedarf an einem solchen Training gesehen hat. Diese Kajaks sind nach 2 Jahren zu klein,
aber die deutsche, sehr unbewegliche Vereinskultur auch hier im Kanubereich muss lernen, dass ich in einer Badewanne Kindern kein Paddeln beibringen kann und Kinder dort auch keinen Spass haben können weil sie die Dickschiffe nicht bewegt bekommen.
Die anschliessende Größe ist etwas einfacher, hier gibt es mehrere Lösungen, aber auch hier gilt: ein 5m Kajak ist für 10-Jährige zu groß. Einige Ausnahmen gibt es, zB das Naja von Rebel.
Grundsätzlich macht es Sinn PE-Kajaks zu nutzen, der Umgang mit den Kajaks durch die Kinder ist natürlich robust.
- Trainingsinhalte
Strecke paddeln ist für Kinder sehr langweilig, es sei denn es ist ein sichtbares Ziel, was Spaß und Abenteuer verspricht.
Für sechs bis 8 Jahre gilt aus meiner Sicht: Strandbad/Stehbereich mit einigen längeren (1 bis 2 km) Ausflügen ist Streckemässig ausreichend.
Im Gegensatz dazu ist der Paddelinhalt wichtiger: BCU***- Sau-A und viele weitere Trainings geben hier Anregung: Vorwärts, rückwärts, seitwärts, drehen usw. machen die Kinder dankbar mit
(=Paddeltechnik). Kentern ist von Anfang an ein wesentlicher Bestandteil meines Konzeptes gewesen: Wer routinemässig kentern kann, verliert die Panik und kann im Wasser besser reagieren, dies gilt auch für Kinder. Wichtig ist es hier, sehr deutlich zu kommunizieren. Auf dem Wasser bin ich auch ab und an sehr barsch in der Ansprache, um Trainingsinhalte durchzusetzen, und zwar immer dann, wenn das Drumherum oder die Gruppendynamik ein Risiko erahnen lässt, was nur durch „Ordnung“ abzuwenden ist. Hier lässt sich sehr gut bei Fußballtrainern lernen.
-Sicherheit:
Zu Beginn (im Stehbereich) war mir wichtig, dass neben den üblichen Sicherungsmaßnahmen (passende, sitzende Schwimmhilfe, jedesmal kontrollieren bei jedem Kind) die Kinder sich an das Wasser gewöhnen konnten. Seepferdchen war mir sekundär, da dies eine rein technische Bestätigung aus einem Schwimmbad heraus ist. Dh ich habe mir von den Eltern bestätigen lassen, dass die Kinder gerne ins Wasser gehen, und mir dann angesehen, wie sie sich mit Schwimmhilfe im Wasser verhalten. Dies ist Key um im Fall des Falles genügend Zeit bis zur Rettung zu haben.
Mittlerweile (begonnen mit ca 8 nach ca 2 Jahren) machen wir regelmäßig Eigen- und Partnerrettungsübungen. Kentern ist nach wie vor, und nun auch in ca. 1 b is 2 km Entfernung zur Küste ein wesentlicher und eingeforderter Bestandteil unseres Trainings. Schleppen und Bergen ebenso. Es ist abwechslungsreich und fördert den Aktionismus der Kinder auf dem Wasser.
Ein wesentlicher Aspekt der Sicherheit geht auf Dein eigenes Konto: Die Trainings durch Trenk bei Seakayaking Germany, bei der Salzwasser-Union und meine eigenen Trainings mit meiner Erwachsenengruppe (angelehnt an SAU-RSST) machen mich fit und helfen mir immens mich auf dem Wasser schnell zu orientieren.
Ich sehe Gruppen deren erwachsene Begleiter selbst nicht regelmäßig Rettungen und Risikoeinschätzung und -Lösungen trainieren, dies ist aus meiner Sicht nicht verständlich.
Es gibt bei sich selbst immer etwas zu verbessern, und als Trainier einer Jugendgruppe habe ich die absolute Hoheit über Sicherheit und Rettung. Jederzeit, und im Ernstfall ebenfalls.
Es ist bisher in den vier Jahren zu keiner bedrohlichen Situation gekommen. Der Kälteaspekt ist neben anderen Gefahren für Kinder insbesondere herauszuheben, auch nach einer Kenterung in für uns mildem Wasser beginnen Kinder schnell zu frieren, und ggf müssen Kinder an Land geschickt werden. Ein wichtiger Umstand waren die helfenden Hände der Eltern: wir hatten in den ersten 2 Jahren grundsätzlich Eltern am Uferabschnitt, weil sie mit Kind und Kegel zuschauen wollten. Daraus hat sich auch ergeben, dass ich ein frierendes Kind begleitet vom Wasser schicken konnte und mit den anderen weiter arbeiten konnte. Diese Praxis war sehr sehr nützlich.
- Trainerschlüssel:
Ca 6 Kinder haben wir zu zweit gecoacht, dieser Schlüsel ist sinnvoll. Hier ist auch die „Befehlskette“ wichtig: Ich bin in jeder Situation Chef und kann jederzeit und ohne Diskussionen meinen Co-Trainer überstimmen, um Situationen korrigieren oder früher auflösen oder abändern zu können. Dies dient nicht der Selbstbestätigung, sondern der Risikominimierung, und, bei mir waren es jugendliche CoTrainer, der Korrektur von Trainingsinhalten.
Mittlerweile werden wir auf unseren bis zu 6 km langen Touren über die Dänische Wiek im Greifswalder Bodden von einem paddelnden Vater begleitet, d.h. wir sind zumeist drei Erwachsene auf 6 Paddelkinder.
- Wetter
Das Wetter setzt die Paddelschwerpunkte und -zeiten: Kaltes Wasser und ggf. Blaualgenblüte begrenzen uns in unseren Aktivitäten, hier kommt auch der Aspekt Kleidung ins Spiel: Neos sind sinnvoll, Wind/Paddeljacken ebenfalls. Sportkleidung wie leider so oft üblich ist bei mir nur in den wirklich warmen Sommermonaten OK. Das Wetter bzw. die Jahreszeiten begrenzen unser Training ebenfalls: Grundsätzlich paddeln wir von April bis Oktober, ich habe in einem Jahr aufgrund der tiefen Temperaturen aber auch erst im späten Mai begonnen;
Wellen sind hier eher förderlich: SmallSurf ist ein Superspass für die Kinder.
Es gibt viele weitere Aspekte, ggf habe ich die wichtigsten hier angerissen und hoffe Dir damit eine leitende Linie geben zu können.
Viele Grüße aus Greifswald, Jörg
(Edit 07. Sept 2020: einmal Rechtschreibfehler korrigiert)