Ahoi!
Ja, wann passt mir ein Seekajak? Nun, wenn ich bei dem in die engere Wahl gezogenen Seekajak den richtigen Sitzhalt (=> Hüft-, Schenkel- und Fußhalt) habe und wenn das Seekajak das richtige Volumen hat!
Kenne ich das Volumen der Seekajaks, kann ich mich für jenes Seekajak entscheiden, das am besten auf mein Körpergewicht und das Gewicht des zu transportierenden Gepäcks abgestimmt ist.a) Wähle ich nämlich ein zu voluminöses Seekajak, dann kann es zu windempfindlich werden, sodass ich ab einer bestimmten Windstärke (ca. 5 Bft.) Probleme bekommen kann, es in Fahrt zu bringen bzw. auf Kurs zu halten.
b) Entscheide ich mich dagegen für ein Seekajak, dass über zu wenig Volumen verfügt, muss ich ebenfalls mit Problemen rechnen, und zwar mit dem Nasslauf. Je nach Seegang fängt es immer stärker an zu bohren. Der Wind weht mich wohl mit meinem Kajak nicht mehr weg, aber voran komme ich trotzdem nicht, weil ich ähnlich einem Rodeokajakfahrer mehr unter als über Wasser paddle und in jeder Welle stecken bleibe.
Marcel (180 cm / 92 kg) fragt nun in seinem Thread, für welches der ersten beiden ansonsten sehr ähnlichen Seekajaks des britischen Herstellers P&H er sich –
was das Volumen betrifft - entscheiden sollte:
Cetus HV (557x57 cm; 28 kg; 379 Liter Volumen)
Cetus MV (541x55 cm; 28 kg; 332 Liter Volumen)
Cetus LV (531x54 cm; 24 kg; 292 Liter Volumen)
Zu diesem Entscheidungsproblem habe ich schon 1995 eine
Daumenregel entwickelt (s. SEEKAJAK, Nr. 51, S.69-74), die einem hilft, für ein vorgegebenes Transportgewicht ein akzeptables Volumen bzw. für ein vorgegebenes Volumen ein akzeptables Transportgewicht zu finden.
Diese
Daumenregel besagt nun, dass das zu transportierende Gewicht (G) (gemessen in kg) rein zahlenmäßig zwischen ca. 30% und 60% des Volumens (V) (gemessen in Liter) liegen sollte, wobei zum Transportgewicht:
1. das Körpergewicht des Kanuten,
2. das Bootsgewicht,
3. das Ausrüstungsgewicht und
4. – im Falle von Gepäckfahrten - das Fahrtengepäck zählt.
Folgende Formel spiegelt diese Überlegung wider:
=> akzeptable Gewichtsunter-/-obergrenzen: G = ca. 30% bis 60% von VWir sollten folglich kein Seekajak ab 4-5 Bft. Wind mit entsprechenden Seegangsbedingungen paddeln, das bezogen auf sein Volumen die Gewichtsuntergrenze unterschreitet bzw. die Gewichtsobergrenze überschreitet
Wobei es zu empfehlen ist, diese minimalen bzw. maximalen Grenzwerte nicht auszureizen, denn wir können davon ausgehen, dass die ideale Beladung eines Seekajak in etwa dazwischen liegt, nämlich:
=> Idealgewicht: G = ca. 40% bis 50% von VBei der Beantwortung von
Marcels Frage, welches der Seekajaks geeignet für ihn ist, kann uns nun die Daumenregel wie folgt weiterhelfen:
Zunächst bestimmen wir das Transportgewicht, welches abhängig ist vom Körpergewicht (92 kg), Seekajakgewicht (ca. 25 kg), Tagesgepäck- & Ausrüstungsgewicht (ca. 10 kg) plus – sofern Gepäcktouren geplant werden – das Fahrtengepäckgewicht (ca. 30 kg). Und dann können wir anfangen zu rechnen, in der Hoffnung dass der Seekajakproduzent das Volumen seiner Kajaks richtig bestimmt hat:
Cetus HV = 379 Liter Volumen:Gewicht bei Tagestour = 127 kg => 34 % des Volumens
Gewicht bei Gepäckfahrt = 157 kg => 41 % des Volumens
Cetus MV = 332 Liter Volumen:G (Tagestour) = 127 kg => 38 % des Volumens
G (Gepäckfahrt) = 157 kg => 47 % des Volumens
Cetus LV = 292 Liter Volumen:G (Tagestour) = 127 kg => 44 % des Volumens
G (Gepäckfahrt) = 157 kg => 54 % des Volumens
Jetzt muss
Marcel entscheiden, ob er mehr Tagestouren bzw. mehr Gepäckfahrten mit dem
Cetus unternehmen will.
Überwiegen bei ihm die Tagestouren, wäre eigentlich der
Cetus LV, also jener Cetus, den Marcel gar nicht in der engere Wahl eingezogen hat, das geeignete Seekajak; denn mit dem angenommenen Gewicht (Tagestour) von 127 kg würde er im Idealbereich zwischen 40-50% G/V liegen. Ob er sich dann auch wirklich für den
Cetus LV entscheidet, hängt jedoch von der Sitzprobe ab; denn u.U. könnte dieses Seekajak zu eng für ihn sein. Für mehrtägige Gepäckfahrten wäre es jedoch nicht mehr so ideal, aber mit 54 % G/V immer noch akzeptabel, zumindest mit „leichtem“ Gepäck!
Überwiegen die Gepäckfahrten, würde der
Cetus MV am geeignetsten erscheinen. Bei Gepäckfahrten käme er auf 47 % G/V, was noch als ideal einzustufen ist, und bei den wenigen Tagestouren käme er auf 38 % G/V, was nur knapp unterhalb der idealen Beladung läge. Für einen 92-kg-Küstenkanuwanderer, der nicht an der Küste wohnt und folglich meist mit Gepäck unterwegs ist, wenn er auf dem Meer paddelt, wäre also – was das Volumen betrifft – die
MV-Variante das Seekajak mit dem passenden Volumen.
Und was ist mit dem Cetus HV? Er wäre für eine 92-kg-Person, die Tagestouren unternimmt, mit 34 % G/V gerade noch akzeptabel. Wenn das gesamte Fahrtengepäck verstaut wird, rutscht er jedoch mit 41% G/V in den idealen Bereich. Die
HV-Variante wäre also nur dann zu empfehlen, wenn auf dem Meer nur Gepäckfahrten unternommen werden (=> mit „großem“ Gepäck) und ansonsten überwiegend Binnen gepaddelt wird.
Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, ob der
Cetus HV mit
557 cm Länge nicht ein wenig zu lang ist; denn er wird wohl einen guten Geradeauslauf haben und etwas „schneller“ laufen, aber wenn der Seegang es fordert, etwas wendiger zu sein, dann ist ein solch langes Seekajak nicht so schnell herumzukriegen wie eines, welches nur 531 cm lang ist, also so lang wie der
Cetus LV. Je weniger
Marcel dabei die dafür nötigen Paddeltechniken nicht beherrscht, desto schwieriger wird es ihm fallen, einen Kurswechsel vorzunehmen (z.B. um von einem plötzlich aufsteilenden Brecher nicht seitwärts mitgenommen zu werden). Was ihm bleibt, wäre die Hoffnung, dem Brecher schnell wegzupaddeln.
Übrigens,
Bernhard Hillejan, der Ausbildungsleiter der Salzwasserunion e.V., empfiehlt bis 180 cm Körpergröße ein Seekajak mit max. 300 Liter Volumen (s. Seekajak 147/16, S.40). Gerechnet mit den Daten von
Marcel (180 cm / 92 kg) würden wir für solch eine Empfehlung die folgenden G/V-Werte erhalten:
Seekajak (nach SaU-Norm) = 300 Liter:G (Tagestour) = 127 kg => 42 % des Volumens
G (Gepäckfahrt) = 157 kg => 52 % des Volumens
Keine schlechte Empfehlung für
Marcel, wenn es für ihn ein Seekajak gäbe, welches ihm den passenden
Sitzhalt bietet.
Apropos: Zum Thema „Volumen & Sitzhalt“ gibt es auf der DKV-Homepage einen ausführlichen
Beitrag.Gruß aus Hamburg: Udo Beier