Querung eines Fahrwassers

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Autor: Dietmar Seidel
Des öfteren habe ich die Erfahrung gemacht, dass hinsichtlich des Seeverkehrsrechtes und dessen praktischer Umsetzung Unsicherheiten bestehen. Daher habe ich mal Grundlegendes zum Thema "Fahrwasserquerung" zusammengeschrieben.
Insgesamt finde ich, ist es eigentlich ganz einfach, sich richtig zu verhalten. Es sind nur ein paar "Spielregeln", die es zu beachten gilt.

Doch zunächst:

DIE THEORIE - DAS (VERKEHRS)RECHT

Wie im Straßenverkehr zu Lande, so gibt es auch für den Verkehr auf dem Wasser Regeln, verbindliche Vorschriften, die einzuhalten sind .
In den Gebieten in denen Seekajaker in der BRD üblicherweise ihrem Sport nachgehen, gelten folgende Verkehrsvorschriften und Befahrensregeln:

die KVR (Kollisionsverhütungsregeln); diese sind ein internationales Übereinkommen und werden über die KVR-Verordnung in geltendes Recht der BRD umgesetzt.
da die KVR nicht die Regelungstiefe bieten (können), die für deutsche Fahrwasser erforderlich ist, wird weiteres in der Seeschiffahrtsstraßenordnung (SeeSchStrO) bzw. der Schiffahrts-straßenordnung Emsmündung geregelt. Die SeeSchStrO geht innerhalb ihres Geltungsbereiches als "lex specialis" insoweit den Regelungen der KVR vor.
ergänzend gelten im wesentlichen die Bekanntmachungen der WSD Nord und Nordwest und die Befahrensregeln der Nationalpark-Verordnungen.
Nachfolgend wird unterstellt, dass die Querung eines Fahrwassers z.B. auf der Elbe, auf jeden Fall im Geltungsbereich der SeeSchStrO stattfindet.

Was gilt?

Nun, zunächst die "Allgemeinen Bestimmungen" der SeeSchStrO! Diese Allgemeinen Bestimmungen sind Basisregeln, Generalklauseln sozusagen, die immer gelten!
Das wird rechtsmethodisch auch in vielen Gesetzen so gehandhabt, z.B. dem BGB.
Es reicht also nicht, ausschließlich die §§ 21-31 (Fahrregeln), die Spezialregeln, der SeeSchStrO zu lesen!

Der §3 der SeeSchStrO (Grundregen für das Verhalten im Verkehr) besagt:
ich zitiere nachfolgend nur auszugsweise:
"(1) Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, daß die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs gewährleistet und daß kein anderer geschädigt, gefährdet, oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. Er hat insbesondere die Vorsichtsmaßregeln zu beachten, die Seemannsbrauch oder besondere Umstände des Falles erfordern . …"
Eigentlich sagt der Text alles und sollte nicht mehr weiter erläutert werden müssen.
Was gilt noch für diesen Fall?

§25 SeeSchStrO (Vorfahrt der Schiffahrt im Fahrwasser)
ich zitiere nachfolgend ebenfalls nur auszugsweise:

"(2) im Fahrwasser haben dem Fahrwasserverlauf folgende Fahrzeuge unabhängig davon, ob sie nur innerhalb des Fahrwassers sicher fahren können, Vorfahrt gegenüber Fahrzeugen, die

in das Fahrwasser einlaufen
das Fahrwasser queren
im Fahrwasser drehen
ihre Anker- Liegeplätze verlassen (4) Fahrzeuge im Fahrwasser haben unabhängig davon, ob sie dem Fahrwasserverlauf folgen, Vorfahrt vor Fahrzeugen, die in dieses Fahrwasser aus einem abzweigenden oder einmündenden Fahrwasser einlaufen.
(6) ein Fahrzeug, das die Vorfahrt zu gewähren hat, muß rechtzeitig durch sein Fahrverhalten erkennen lassen, daß es warten wird. Es darf nur weiterfahren, wenn es übersehen kann, daß die Schiffahrt nicht beeinträchtigt wird."

Was Fahrwasser im Sinne der SeeSchStrO sind, ergibt sich übrigens aus §2 der SeeSchStrO, nämlich lateral betonnte Flächen, die zudem als "enge Fahrwasser" im Sinne der KVR gelten.

Soweit die Theorie: was heißt das nun praktisch?


DIE PRAXIS

regelgerechtes Fahren
wenn auch nur eine Gefährdung (also noch sehr abstrakt) oder Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer möglich ist, darf nicht gequert werden! Es darf also im Umkehrschluss nur gequert werden, wenn eine Gefährdung/Behinderung ausgeschlossen werden kann.

Das heißt, wenn man mal eben schnell "rüber" muß weil es schon knapp wird, darf man bereits eine Gefährdung und damit Rechtswidrigkeit der Querung unterstellen.

Daran sollten Seekajaker äußerst hohe Maßstäbe anlegen! Seekajaker haben einen, durch ihre geringe Augenhöhe bedingt, kleinen Sichthorizont und können in der Regel die Möglichkeiten der Berufsschiffahrt nicht richtig einschätzen. Sie verursachen mithin schnell, sei es aus mangelnder Information über die Verkehrslage oder Unkenntnis der Möglichkeiten der übrigen Verkehrsteilnehmer eine Gefährdung oder Behinderung. Seekajaker werden von den meisten übrigen Verkehrsteilnehmern oftmals schlecht gesehen und ihrerseits falsch eingeschätzt.

"SPIELREGELN FÜR SEEKAJAKER" I

Seekajaker fahren grundsätzlich so, daß sie die übrige Schiffahrt nicht gefährden/behindern.
Seekajaker überzeugen sich vor der Querung eines Fahrwassers durch guten Ausguck, daß Gefährdung/Behinderung anderer Fahrzeuge im Fahrwasser ausgeschlossen sind.
Im Zweifel verzichten Seekajaker auf die Querung an diesem Ort und zu dieser Zeit.

eindeutiges Fahren - seemännisches Verhalten Seekajaker sind "schwache Verkehrsteilnehmer" und sollten daher besonders darauf achten sich eindeutig zu verhalten, d.h. so frühzeitig und eindeutig wie möglich zu erkennen zu geben, ob sie "Querer" = Ausweichpflichtiger oder "Längsfahrer" = Kurshalter sind.

Das geschieht am besten und eindeutigsten durch eine Querung mit einem Kurs, der rechtwinklig zur Fahrwasserachse verläuft. Nicht umsonst ist genau diese Querungsweise für das Queren von Verkehrstrennungsgebieten in den KVR, Regel 10, vorgeschrieben. FAZIT: Ein Fahrwasser darf nur gequert werden, wenn Gefährdung oder Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sind und dann nur rechtwinklig zur Fahrwasserachse!

"SPIELREGELN FÜR SEEKAJAKER" II

Seekajaker, die in einer Gruppe fahren, bleiben während der Querung dicht zusammen und queren möglichst nebeneinander fahrend, um die Zeit der Blockierung des Fahrwassers zu verkürzen. Seekajaker queren Fahrwasser rechtwinklig zur Fahrwasserachse! Nachklapp:

Regelgerechtes Fahrverhalten begründet sich aus-schließlich in verbindlichen rechtlichen Vorschriften und seemännischem Verhalten!

Bei Gesprächen über dieses Thema und auch in Veröffentlichungen kommen mitunter Meinungen zutage, die ich hier nur stellvertretend kommentieren will, um daran in aller Deutlichkeit aufzuzeigen, worum es geht:

1. Meinung: "während in Ufernähe der Gegenstrom nicht der Rede wert ist, geht im Fahrwasser die Post ab, Grund genug über einen günstigen Kurs nachzudenken."

Physik (Stromdreieck, Vektorrechnung) hat hier nichts aber auch gar nichts zu suchen! Zu Lande macht man das Queren einer Kreuzung auch nicht von der Windempfindlichkeit eines grau lackierten Kleinrollers abhängig und versucht damit die Straßenverkehrsordnung zu rechtfertigen oder zu erklären!

Wie oben hergeleitet, gibt es den "günstigen" Kurs nicht, nur den vorgeschriebenen, rechtlich (und seemännisch) korrekten!

2. Meinung: "aus Sicherheitsgründen ist es sehr wichtig, so schnell wie möglich wieder aus dem Fahrwasser zu kommen."

Aus Sicherheitsgründen ist es wichtig, sich nicht in Situationen zu begeben, die es erfordern, daß man "schnell" wieder aus dem Fahrwasser kommen muß; verkehrsgerechtes und seemännisches Verhalten ist sicheres Verhalten!

3. Meinung: "Laut SeeSchStrO hat ein querendes Fahrzeug dem Längsfahrer Vorfahrt zu gewähren und darf ihn nicht behindern."

Nicht nur eine Behinderung ist rechtswidrig sondern auch eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer.

4. Meinung: "auch der Langsamste kann jeden Strom mit rechtwinkligem Kurs (Kiellinie) queren, während zur Querung mit rechtwinkligem Kurs über Grund die Bootsgeschwindigkeit deutlich größer sein muß als der Strom."


Wir reden über die "Querung eines Fahrwassers", Strom ist "Strömung". Selbst wenn mit Strom=Fluß gemeint sein sollte, trifft der Begriff nicht den Sachverhalt und verwirrt nur; Fahrwasser im Sinne der SeeSchStrO sind, wie bereits gesagt, die lateral betonnten Flächen ... meinetwegen eines Flusses!

zur Deutlichkeit nochmals: Wenn aufgrund geringer Geschwindigkeiten die Querung eines Fahrwassers erschwert ist, hat sie zu unterbleiben wenn auch nur eine Gefährdung oder Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer die Folge sein könnte.

Abschließend noch ein kleiner Überblick über die Verwarnungs- /Bußgelder, die bei Verstößen erhoben werden können.

Verstoß gegen §3 der SeeSchStrO: - Verwarnungsgeld EUR 15.- bis 35.-; Bußgeld bei Verstoß "ohne Gefährdung" EUR 150.-/ "mit Gefährdung" EUR 250.- Verstoß gegen §25 der SeeSchStrO - Verwarnungsgeld EUR 15.- bis 35.-; Bußgeld EUR 250.- (hier gibt es die Gefährdungssanktion nicht) … zum Trost … Die Tatbestände können nicht additiv geahndet werden ... also nicht Verstöße gegen §3 EUR 250.- + gegen §25 EUR 250.-= EUR 500.-!

… aber: ... die o.g. Werte für Bußgelder sind Richtwerte, sie können sich z.B. bei Vorsatz verdoppeln ... bei Vorsatz greift übrigens keine Rechtsschutzversicherung!

© Dietmar Seidel