Ahoi,
ich möchte hier einige Aspekte von Eckart Pfeffers Beitrag vom 4.3.02
aufgreifen:
Eckart baut seine Argumentation so auf, dass er zu dem Ergebnis kommt, dass
"Paddler aus den genannten Gründen den Maschinenfahrzeugen gleichgestellt sind."
Die Gründe versucht er dabei selber zu konstruieren, in dem er nämlich die Regel
3 der Kollisionsverhütungsregel (KVR) dergestalt interpretiert, dass diese Regel
bei der Definitionen der "Fahrzeugtypen, wie z.B. Maschinenfahrzeug,
Segelfahrzeug .... weniger auf die exakte Antriebsart als vielmehr auf die
Fähigkeit oder auch Unfähigkeit zu manövrieren ab(hebt)."
Liest man jedoch diese Regel 3 wortwörtlich durch, so frage ich mich jedoch, wie
Eckart eine derartige Interpretation vornehmen kann:
Regel 3 KVR ("Allgemeine Begriffsbestimmung")
(a) "Der Ausdruck "Fahrzeug" umfasst alle Wasserfahrzeuge ..., die als
Beförderungsmittel auf dem Wasser verwendet werden oder verwendet werden
können."
(b) "Der Ausdruck "Maschinenfahrzeug" bzeichnet ein Fahrzeug mit
Maschinenantrieb."
(c) der Ausdruck "Segelfahrzeug" bezeichnet ein Fahrzeug unter Segel, dessen
Maaschinenantrieb, falls vorhanden, nicht benutzt wird."
....
D.H. Die KVR hebt definitiv auf die Antriebsart eines Schiffes ab. Hat es
Maschinenantrieb ist es ein "Maschinenfahrzeug", fährt es (ohne Motorkraft)
unter Segel ist es ein "Segelfahrzeug".
Ja, und was ist ein "Seekajak"? Nun, es ist gemäß dieser Definitionsvorgaben der
KVR weder ein "Maschinenfahrzeug" noch ein "Segelfahrzeug", sondern schlicht weg
ein "Fahrzeug". Übrigens, das gilt auch für die Seeschifffahrtsstraßen-Ordnung;
denn § 2 Abs. 1 SeeSchStrO sagt eindeutig Folgendes aus:
"Für diese Verordnung gelten die Begriffsbestimmungen der Regel 3 ... der KVR
..."
Welche Konsequenz hat das nun für das Küstenkanuwandern? Auf alle Fälle ist die
analoge Übertragung der folgenden Regel nicht zulässig:
Regel 18 KVR ("Verantworlichkeit der Fahrzeuge untereinander")
"Sofern in den Regel 9, 10 und 13 nicht etwas anderes bestimmt ist, gilt
Folgendes:
(a) Ein Maschinenfahrzeug in Fahrt muss ausweichen:
... (iv) einem Segelfahrzeug."
D.h. ein Seekajak ist kein Maschinenfahrzeug, folglich muss es einem
Segelfahrzeug nicht immer ausweichen. Das Seekajak ist genauso ein
(Wassersport)Fahrzeug wie das Segelfahrzeug auch. Die Regel, die für solche
Fahrzeuge gelten, müssen beide gleichermaßen einhalten. Welche das sind, hat
Carlo Schagen in seinem Beitrag vom 30.01.02 aufgeführt. Carlo hat zu Recht auch
auf die Geltung von § 3 SeeSchStrO ("Grundregeln für das Verhaltgen im Verkehr")
verwiesen, die nichts anderes besagt, dass jeder eine Kollision verhüten
muss und letztlich keiner - wir kennen es ja auch vom Straßenverkehr - die
Vorfahrt erzwingen darf. D.h. nach einer Kollision wird immer zu prüfen sein,
warum z.B. ein Küstenkanuwanderer bzw. ein Segler diese Kollision nicht
verhindert hat. Da wird ein Segelfahrzeug (unter Fahrt) (aber auch ein
Maschinenfahrzeug) schlechte Karten haben, wenn es ein bei 6 Bft. auf der Stelle
dümpelndes Seekajak überfährt.
... Aber die "schlechtesten Karten" hat natürlich immer der Küstenkanuwanderer;
denn was hat er schon von seinem "Recht", wenn er überfahren wird. Also sollte
er sehr vorausschauend fahren. Insofern wird keiner die folgende Aussage von
Eckart widersprechen:
"Für die Benutzung der Fahrwasser sollten wir in jedem Falle anderen auf das
Fahrwasser angewiesenen Verkehr nicht behindern und uns wenn möglich ausserhalb
halten!"
Eckart stellt dies jedoch als eine "gesunde Grundregel" dar und vermittelt
dadurch zumindest in diesem Abschnitt den Eindruck einer gewissen
"Unverbindlichkeit". Das trifft aber bezüglich des ersten Halbsatzes nicht zu;
denn es ist die folgende KVR-Regel, die das ausdrücklich vorschreibt:
Regel 9 KVR ("Enge Fahrwasser")
...
(b) "Ein Fahrzeug von wengier als 20 Meter Länge ... darf nicht die Durchfahrt
eines Fahrzeugs behindern, das nur innerhalb eines engen Fahrwassers oder einer
Fahrrinne sicher fahren kann."
...
(d) "Ein Fahrezug darf ein enges Fahrwasser oder eine Fahrrinne nicht queren,
wenn dadurch die Durchfahrt eines Fahrzeugs behindert wird, das nur innerhalb
eines solchen Fahrwassers oder einer solchen Fahrrinne sicher fahren kann. ...
(e) (i) Kann in einem engen Fahrwasser oder in einer Fahrrine nur dann sicher
überholt werden, wenn das zu überholende Fahrzeug mitwirkt, so muss das
überholende Fahrzeuge seine Absicht durch das entsprechende Signal ... anzeigen.
Ist das zu überholende Fahrzeug einverstanden, so muss es dass entsprechende
Signal ... geben und Maßnahmen für ein sicheres Passieren treffen. ..."
(siehe auch § 23 Abs. 4 SeeSchStrO)
D.h. in einem engen Fahrwasser oder einer Fahrrinne, z.B. in einem fast
trockengefallen engen Priel, dem entlang das Fahrwasser verläuft, müssen wir
Küstenkanuwanderer lt. KVR möglichst jedem anderen Fahrzeug mit Tiefgang
ausweichen, damit dies sicher passieren kann. Am Besten - und nur das wäre als
"gesunde Grundregel" anzusehen - sollte man das eng Fahrwasser verlassen und
gegebenenfalls eine Grundberührung - sofern unproblematisch - in Kauf nehmen.
Übrigens, wenn wir uns dann außerhalb des Fahrwassers befinden, wird von uns
Folgendes verlangt:
§ 22 SeeSchStrO: Abs. 2: "Außerhalb des Fahrwasser ist so zu fahren, dass klar
erkennbar ist, dass das Fahrwasser nicht benutzt wird."
D.h. wir sollten es vor Passieren des anderen Fahrzeuges vermeiden, wieder ins
Fahrwasser zurückzufahren bzw. es zu queren, nur weil wir dort z.B. tieferes
Wasser für uns erhoffen, bzw. weil die Mehrheit der Gruppe dort paddelt.
Grundsätzlich wird in solch einer Situation von uns erwartet, zunächst einmal
das Fahrzeug passieren zu lassen:
§ 25 SeeSchStrO: Abs. 6: "Ein Fahrzeug, dass die Vorfahrt zu gewähren hat, muss
rechtzeitig durch sein Fahrverhalten erkennen lassen, dass es warten wird. Es
darf nur weiterfahren, wenn es übersehen kann, dass die Schifffahrt nicht
beeinträchtigt wird."
Kann ich aber als Küstenkanuwanderer nicht die enge Fahrrinne verlassen (weil
sich z.B. auf beiden Seiten Buhnen mit dicken Steinpackungen befinden, brauche
ich jedoch keine Angst zu haben, dass mich z.B. ein überholende Fahrzeug aus dem
Kajak "hebelt":
§ 23 SeeSchStrO:
Abs. 1: "Grundsätzlich muss links überholt werden. Soweit die Umstände des
Falles es erfordern, darf rechts überholt werden."
Abs. 2: "Das überholende Fahrzeug muss ... die Fahrt so weit herabsetzen oder
einen solchen seitlichen Abstand vom vorausfahrenden Fahrzeug einhalten, dass
kein gefährlicher Sog entstehen kann und während des ganzen Überholmanövers jede
Gefährdung des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist. ..."
D.h. jedoch nicht, dass der Küstenkanuwanderer einfach seinen Kurs weiterfahren
darf; denn der nächste Satz von Abs. 2 lautet wie folgt:
"... Das vorausfahrende Fahrzeug muss das Überholen soweit wie möglich
erleichtern."
Übrigens, in § 24 SeeSchStrO wird das "Begegnen" von Fahrzeugen geregelt:
Abs. 1: "Beim Begegnen auf entgegengesetzten oder fast entgegengesetzen Kursen
im Fahrwasser ist nach Steuerbord auszuweichen."
Leider fehlt jedoch eine § 23 Abs. 2 entsprechende Formulierung zum Schutz vor
"gefährlichem Sog", die so nur für das Überholen, nicht aber für das Begegnen
festgelegt ist. Aber das ist nicht kritisch für uns, da es noch die folgende
Vorschriften gibt:
§ 21 Abs. 2 SeeSchStrO: "Beim Begegnen, Überholen und Vorbeifahren an Fahrzeugen
... ist ein sicherer Passierabstand nach Regel 8 Buchstabe d der KVR
einzuhalten."
Regel 8 Buchstabe d der KVR: "Ein Manöver zur Vermeidung eines Zusammenstoßes
mit einem anderen Fahrzeug muss zu einem sicheren Passierabstand führen. Die
Wirksamkeit des Manövres muss sorgfältig überprüft werden, bis das andere
Fahrzeug endgültig vorbei und klar ist."
§ 3 Abs. 1 SeeSchStrO: "Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, dass
die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs gewährleistet und dass kein Anderer
geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach dem Umständen unvermeidbar, behindert
oder belästigt wird. ..."
Welche weiteren Regeln der KVR bzw. §§ der SeeSchStrO, die Carlo Schagen in
seinem Beitrag nicht aufgeführt hat, sind nun für das Küstenkanuwandern von
Bedeutung. Z.B.
Regel 17 a KVR:
(i) "Muss von zwei Fahrzeugen eines ausweichen, so muss das andere Kurs und
Geschwindigkeit beibehalten (Kurshalter)".
(ii) "Der Kurshalter darf jedoch zur Abwendung eines Zusammenstoßes selbst
manövrieren, sobald klar wird, dass der Ausweichpflichtige nicht angemessen nach
diesen Regeln handelt."
Regel 8 KVR:
(a) "Jedes Manöver zur Vermeidung eines Zusammenstoßes muss, wenn es die
Umstände es zulassen, entschlossen, rechtzeitig ... ausgeführt werden ..."
(b) "Jede Änderung des Kurses und/oder der Geschwindigkeit zur Vermeidung eines
Zusammenstoßes muss, wenn es die Umstände zulassen, so groß sein, dass ein
anderes Fahrzeug optisch ... erkennen kann; aufeinanderfolgende kleine
Änderungen des Kurses und/oder der Geschwindigkeit sollen vermieden werden."
§ 10 SeeSchStrO:
Abs. 2: "... Fahrzeuge unter Ruder ... (haben) mindestens ein weißes Rundumlicht
im Sinne von Regel 21 Buchstabe e der KVR (Anm.: "Mindesttragweite 2 Seemeilen")
zu führen."
Abs. 3: "Fahrzeuge im Sinne von Absatz 2, auf denen die hiernach
vorgeschriebenen Lichter .... nicht geführt werden können, dürfen in der Zeit,
in der die Lichterführung vorgeschrieben ist (Anm.: z.B. "zwischen
Sonnenuntergang und Sonnenaufgang" (Regel 20 b KVR)), nicht fahren, es sei denn,
dass ein Notstand vorliegt. Für diesen Fall ist eine elektrische Leuchte ... mit
einem weißen Licht ständig gebrauchsfertig mitzuführen und rechtzeitig zu
zeigen, um einen Zusammenstoß zu verhüten."
(D.h. ein Küstenkanuwanderer ist lt. SeeSchStrO dazu verpflichtet, auch tagsüber
z.B. eine wasserdichte Taschenlampe in seinem Seekajak mit sich zu führen.)
Regel 10 (Verkehrstrennungsgebiete) KVR:
(c) Ein Fahrzeug muss soweit wie möglich das Queren von Einbahnwegen vermeiden,
ist es jedoch zum Queren gewzungen, so muss dies möglichst mit der Kielrichtung
im rechten Winekl zur allgemeinen Verkehrsrichtung erfolgen."
(Übrigens, die letzte Regel gilt nicht für Fahrwasser, die keine
Verkehrstrennungsgebiete sind; dennoch sollte man beim Küstenkanuwandern diese
Regel bei allen Fahrwassern mit Schiffsverkehr befolgten, quasi als eine weitere
"gesunde Grundregel".)
Wenn nun Eckart schon dabei ist, eine "gesunde Grundregel" zu formulieren, die
uns helfen soll, im Verkehr auf dem Wasser zu recht zu kommen, so frage ich
mich, ob nicht auch schon andere solche "Grundregeln" formuliert und zur
Beachtung empfohlen haben. Schaut man in die BSH-Broschüre "Sicherheit im See-
und Küstenbereich. Sorgfaltsregeln für Wassersportler" (telefonisch bestellbar
über Tel. 040/31900), so findet man in der Ausgabe 2001 auf S.9-12:
"Zehn Sicherheitsregeln für Wassersportler"
die u.a. das Folgende besagen:
Regel 8: "Verlassen Sie keinen sicheren Liegeplatz bei Nebel.
Werden Sie von Nebel oder schlechter Sicht überrascht, möglichst umgehend
Fahrwasser und Schifffahrtswege verlassen ..."
Regel 9: "Halten Sie sich von der Berufsschifffahrt nach Möglichkeit fern.
Meiden Sie Schifffahrtswege und halten Sie sich im Fahrwasser soweit wie möglich
rechts oder außerhalb des Fahrwassers, sofern dies ohne Gefahr möglich ist ..."
Das wär's für heute.
Gruß aus Hamburg
Udo Beier, DKV-Referent für Küstenkanuwandern