moin,
Jochen hat mich gebeten, den folgenden Beitrag hier ins Forum zu stellen:
Moin!
Ich schreibe hier ja nicht mehr, habe auch keinen Zugang mehr, dennoch lese ich ab und an noch ein wenig. Wird zwar immer weniger und bald ganz
aufhören, aber nachdem Eckehard diese traurige Sache die ich ihm kurz vorher gemailt hatte, gebracht hat, möchte ich mich dazu äußern.
Ich kenne die Stelle, wo es passiert ist, verdammt gut.
Ich könnte direkt ein paar Leute anrufen, die informiert sein werden, das habe ich aber bislang nicht getan, da sie garantiert genug Stress um die
Ohren haben. Die Eltern sind da, der allg. Schock muss erst erfasst und verarbeitet werden und wer weiß was sonst noch alles. Da mag ich nicht
mittenrein platzen und unnütze Fragen stellen. Das wird sich irgendwann später sicherlich ergeben. Ich bin da anders als manche "Blitzschnell-Aufklärer".
Was ich aus den Artikeln lesen kann:
Es war vielleicht 3-400m vor dem Bootshaus, Brücke Münsterstraße, nach einer ca. 17km Trainingsfahrt (Wendemarke Gersteinwerk) im Rennboot. Im Winter ist
im Rennsport üblicherweise Konditoinstraining angesagt, ich weiß nicht was an dem Tag anstand, aber die Strecke spricht dafür. Gegen Ende wird gerne
nochmal etwas "Dampf" gemacht, so daß die Leute gut aufgeheizt sind. Die letzten paar Hundert Meter lassen sie meist austrudeln, Tiffany war sowas
100m zurück, das spricht auch für das "austrudeln", vielleicht aber auch für ein Anzeichen von Schwäche? (siehe weiter unten)
Ich kenne den Bereich der Brücke, direkte Citylage und eigentlich fast ständig Fahrrad- und Fußgängerverkehr direkt am Kanal entlang. Ich selber
habe genau dort 5 Jahre lang Kanupolo trainiert und auch so manche Wanderfahrt gemacht. Die Rennsportler und ihre Gewohnheiten sind mir daher gut vertraut.
Es die zentralste Brücke in Hamm. Kaum glaublich das man dort so unbemerkt untergehen kann. Es muss verdammt schnell gegangen sein.
Der Trainer hat die Gruppe auf dem Fahrrad begleitet, das geschieht entlang des Mitteldamms. Die Bootshäuser liegen auf der anderen Seite. In dem einen
Online-Artikel stand das der Trainer sie kurz vorher noch gesehen hat und anschließend hätte nur das Boot auf dem Wasser geschwommen. Das ließt sich
leider wieder heftig verkürzt. Zeitungsreduktion, ich mag das nicht.
Ich interpretiere/verstehe es aber so, der Trainer sieht sie noch auf dem Wasser, fährt links vom Mitteldamm auf die Brücke, überquert den Kanal,
kommt rechts die abwärtsführende Radweg-Vollkreiskurve runter und sieht nur noch das leere Kajak auf dem Wasser.
Wenn man dort runterfährt, hat man noch ein Sichtfeld von guten 50m, nur zum kleinen Teil etwas mehr, unter der Brücke hindurch in Richtung
Bootshäuser/Schleuse. Nach der Unterquerung der Brücke hat man dann auch nur zeitweise Sicht auf den Kanal, aber es klingt jedenfalls so dass der Trainer
das leere Boot direkt bemerkt hat.
Es muss sich also alles in kaum glaublicher Geschwindigkeit abgespielt haben. Die Zeit die man mit dem Rad braucht von links vor der Brücke bis
rechts unten am Kanal schätze ich mal auf deutlich unter eine Minute, vielleicht 30s. Je nachdem was dort gerade so zu umfahren ist bzw, wie
schnell man fährt, letztens waren dort Fahrbahnarbeiten bzw. ne Baustelle. Ich werde es nächstes WE selber sehen.
Meine Mutter, die ich Dienstag anrief nachdem ich von der Sache hörte, sagte sie habe wohl einen Kälteschutz getragen. In der gedruckten Zeitung stand
wohl einiges, auch an O-Tönen von KR-Vertretern, mehr als in den Online-Artikeln. Es wird wohl wild gemutmaßt was passiert sein könnte.
Selbst ein Steinwurf von der Brücke herunter.
Tiffany stammt aus Halifax und ich habe dort jemanden angeschrieben, er meint dort würde sogar die Möglichkeit einer Entführung erwogen. Ich halte
das aber für die unwahrscheinlichste Option. Prinzip Hoffnung..
Der Kanal ist dort ca. 30m breit, pie mal Daumen. Beide Seiten sind spundwandfrei und mit groben Steinen belegt. Die Böschung ist frisch von
Sträuchern geräumt worden. Das Kanalprofil ist noch nicht ausgebaut, man kommt dort recht gut aus dem Wasser, wenn man muss und will.
Am Sonntag war in Hamm sehr gutes Wetter, ich war selber in Hamm, wollte Vormittags eigentlich auch endlich mal wieder paddeln gehen, war aber zu
müde und blieb zuhause. Das Testpaddeln am Samstag bzw die spätere Fahrradrückfahrt im kalten Regen hatte mich gut ausgelaugt.
Es hatte wohl etwas Ostwind und das ist eher selten. Aber speziell von der Brücke Münsterstraße kenne ich kaum unangenehme Windböen die drunterher
fegen würden. Wenn dann passiert das vorher an der Eisenbahnbrücke, da tunnelt der Wind mitunter deutlicher.
Wenn sie nun also wirklich dort binnen kürzester Zeit untergegangen ist, sowas kann SEHR schnell gehen, dann muss es eine Kombination von wirklich
sehr unglücklichen Umständen gewesen sein.
Rennboote sind nun nicht gerade die lagestabilsten Kajaks, das konnte man am Samstag beim Nelo FW 2000 auch gut erfahren, die kleinste Unachtsamkeit und
man ist mitunter sehr schnell auf reflexartige Stützschläge angewiesen, sonst nass.
Erfahrenen Rennsportlern passiert sowas aber, zumal bei den absolut harmlosen Bedingungen, eher nicht, außer es passiert eben etwas was den
Sportler einschränkt oder kurzzeitig handlungsunfähig macht. Eine Ablenkung, Schreck, Stein sind sicherlich auch denkbar, aber auch ein Schwindel- oder
Schwächeanfall !! In so einem Fall liegt man sehr schnell drin, auch als Wanderpaddler in einem ansonsten stabilen Kajak. Weshalb auch immer man
kentert, ein aufgeheizter Körper bzw. Kopf der in 4 Grad kaltes Wasser eintaucht, hat sehr gute Chancen auf einen Kälteschock und dann war es das
extrem schnell !!! Aus einem Rennboot fällt bei einer Kenterung man ja auch einfach so heraus.
Ich kann mir diese Möglichkeit mit am besten vorstellen. Eine fordernde Trainingseinheit, vielleicht noch ein langer Spurt hintendran und evtl. gar am
Anschlag/roten Bereich. Da kann einem unter normalen Umständen schonmal schummerig werden, das kenne ich selber und im Rennen fährt man ja auch bis
an den Punkt heran. Man kennt das aber eigentlich und die Sportler können damit umgehen. Was aber wenn noch eine zusätzliche Schwächung dazu kam?
Schlechte Tagesform, oder sonstwas unübliches?
Schwäche, Schwindelgefühl, falscher Schlag - platsch. Kaltes Wasser, keine Schwimmhilfe - blubb. Da nützt dann auch ein rennsporttauglicher Kälteschutz
nichts mehr, der Kopf ist am gefährdetsten.
Wenn dem so war, dann ist nur einmal mehr die traurige Erkenntnis das eine Feststoffschwimmhilfe, zwar nicht gegen Ertrinken hilft, aber den Körper
eben nicht untergehen läßt und damit genau die Zeit liefert die es für die Chance auf Rettung braucht. Rennsportler sind selten allein unterwegs...
Ich bin vor vielen Jahren, als ich noch im KVH war, mal heftig angemeckert worden, weil ich es gewagt hatte nachts paddeln zu gehen. Das wäre verboten
und zu riskant. Dabei ist es nicht verboten und hatte ich damals eine funktionierende und ausreichende Lampe auf dem Kajak. GLEICHZEITIG wurde
damals das winterliche Nachwuchstraining, noch komplett OHNE jede evtl. sichernde Auftriebshilfe durchgeführt, wie extrem gefährlich DAS sein kann,
bei endkaltem Wasser, das hat man mittlerweile wohl verstanden undakzeptiert. Der Nachwuchs fährt nur noch mit Westen, zwangsweise. Aber die
"Leistungsträger" offenbar immer noch nicht.
Tiffany war im CAN-Nationalkader und sie wird wohl mit den KR-Leistungsträgern trainiert haben, zum Nachwuchs gehörte sie auch nicht.
Der KR hat ja mit Jonas Ems nun auch einen Junioren-Weltmeister hervorgebracht, bzw. mittlerweile hat Jonas noch andere Sachen gewonnen. So
ganz schlecht sind die anderen auch nicht. Und diese Leute fallen für gewöhnlich nicht einfach so aus dem Rennboot.
Aber es sind alles nur Menschen. Sie können alle dasselbe Schicksal erleiden. Egal ob Nachwuchs, oder hochgradiger Leistungsräger. Kaltes Wasser
tötet SEHR schnell, JEDEN. Es wird Zeit das speziell im Winter, wenn das Risiko am größten ist, irgendeine mit dem sport verträgliche Auftriebshilfe
zur Pflicht von Seiten des Verbandes gemacht wird. Im Nachwuchsbereich gibt es das tlw. ja schon. Beim Kanupolo trägt man sowieso eine Weste, nur gute
Rennsportler sind gegen alles gefeit? Wird man JETZT vielleicht endlich mal darüber nachdenken? Jetzt wo es für eine Seele mal wieder zuspät ist?
Weshalb immer erst wenn ein Kind in den Brunnen gefallen ist...
Es ist eine unglaublich traurige Sache, was da passiert ist und es berührt einen umso mehr, wenn man einige der Leute kennt die damit direkt oder
indirekt betroffen sind. Unglücke passieren immer wieder, das ist so und muss so sein. Aber Unglücke
müssen nicht SO ausgehen!!
Ich mag nicht drüber nachdenken was derzeit in Hamm abläuft, mit den Eltern die ihre Tochter zurück wollen. 20 Jahre, das Leben vor sich...
Ich hoffe aber das Tiffany möglichst bald gefunden wird. Dann werden wir wohl auch erfahren was wirklich passierte.
Ein betrübtes "gut geh´n" - Jochen