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Lettmann Biskaya Skeg HV

geschrieben von shovelhead 
Lettmann Biskaya Skeg HV
19. August 2013 14:18
Moin,

nach zehn Wochen und etwa 470 km auf Salz und Süsswasser mit dem "Lettmann Biskaya Skeg HV" hier meine Eindrücke:


- Revier:

- 290 km auf Kanälen mit Binnenschifffahrt
- 10 sm Tagestour auf der Baie de Somme (Ärmelkanal nahe Abbeville)
- 40 sm Wochenend-Gepäcktour Normandie Le Havre - Fécamp vorbei an den Aiguilles d'Étretat
- 50 sm eine Woche Ostsee Fehmarn/Grossenbrode/Heiligenhafen


- Wetter:

null bis knapp 5 Bft, von Ententeich bis 1m Dünung mit ca 0.50m hohen Windwellen darüber.


Das Boot

- 5,42 * 0.56m
- Lettmann Skeg (Nylon Seil, Federdruck, keine Steuer/Ruderfunktion)
- DCS (Diolen) inklusiv Einbaukompass, Fussstützen und Handschuhfach/Dayhatch vorn: knapp 30 kg
- Durchsichtige, eingeklebte Schottwände (= Kofferraumbeleuchtung) mit mittig angebrachtem Druckventil
- Sitz auf Mittelschiene mit zwei seitlichen Stützschienen unter dem Süllrand
- integrierter Silva 70 Kompass
- Fersenablage auf Mittelschiene
- Keine Fusstützen

- ich 1,96m und 115 kg

Der Biskaya HV ist ein noch stabiles und erstaunlich wendiges Seekajak für schwere Paddler. Das Deck ist über die gesamte Länge recht flach und breit, der Rumpf ist am Bug konkav um dann etwa beim vorderen Schott eine konvexe Form anzunehmen. Der Boden unter dem Cockpit ist flach, das Boot liegt satt auf dem Rasen in meinem Garten auf, wobei der deutliche Kielsprung sichtbar wird. Leer hebt sich das Heck doppelt so weit vom Boden wie der Bug.


Komfort:

Ich passe "so eben" in das Cockpit hinein und sollte tunlichst kein Kilo mehr zunehmen. Der Sitz ist schmal, es gibt beim ein- und aussteigen einen Moment wo ich die Oberschenkelknochen am Hüftgelenk links und rechts durchs Loch drücken muss. Das Cockpit ist innen nur 30,5 cm hoch und die Kante des Süllrands innen ist scharf/eckig. Es ist mir unmöglich, die Knie im Sitzen anzuziehen und die Beine aus dem Boot zu hängen; ebenso fällt eine Cowboy-Rescue flach, weil es keine Möglichkeit gibt, die Beine noch ins Boot zu bringen wenn mein Hintern erst einmal im Sitz klemmt. Schlecht beim anlanden an einer Betonrampe, schlecht beim ablegen von einem felsigen Strand und ganz allgemein schlecht für die Sicherheit ... P&H Cetus 17.10 und Valley Etain bieten etwas mehr Platz und Comfort im Cockpit, im P&H Quest geht es genauso eng zu.

Wenn man dann einmal Platz genommen hat, fallen die fehlenden Fusstützen auf. Lettmann liefert das Boot mit der Fersenablage (wozu?) und hat mir kostenlos zwei Plastik-Pedale und 1.5m Dynema-Leine nachgesandt (Auslandspaket - kostenlos!). Das ist trotzdem nur ein Behelf, denn die Steuerpedale vedrehen sich bei Belastung (aussen sind sie mit einer Leine fixiert, innen geben sie unter dem Fussballen nach). Ich habe sie mit einem galvanisierten Winkelblech verbunden, was aber dem Kompass (in direkter Nähe) nicht gut tut... also habe ich am Ende beim Zölzer die Artikelnummer 02534 "Steuerbock gebogen mit Fersenablage" bestellt und in die Mittelschiene geschraubt. Aus Alu (Kompass) und wesentlich stabiler als die Lettmann Fummelei. So richtig 100% glücklich bin ich aber immer noch nicht. Ein Skegboot braucht seitliche, leicht verstellbare Fusstützen. Warum Lettmann hier nicht einfach auf die Teile zugreift, die branchenweit Standard sind? Vielleicht kommt ja auch noch ein "Update" mit einer vernünftigen Lösung (bitte auch für bereits ausgelieferte Boote)!

Die Gepäckräume sind (den Massen des Bootes entsprechend) gross und lassen sich durch die ovalen Luken bestens beladen; auch lange Gegenstände flutschen problemlos unter Deck. Der Skeg-Kasten hinten ist sauber verarbeitet - keine hervorstehenden Nasen oder Kinken, keine Gefahr, sich die Hände oder Packsäcke aufzureissen. Meine helle Rumpffarbe (gelb), die grossen Öffnungen und die transparenten Schotten machen es einfach, nach einer bestimmten Tasche zu suchen; fast so komfortabel wie in meinem früheren, gelben PE-Kodiak, der was "Ladekomfort" angeht immer noch meine Referenz ist.


Paddeln:

Wer sich für den Biskaya HV interessiert hat vermutlich auch schon mal den P&H Cetus 17.10, P&H Quest, North-Shore Ocean 17.6 oder Valley Etain 17.7 angeschaut oder gar zur Probe gepaddelt. Der Cetus bietet ganz deutlich mehr Primärstabilität und sowohl Cetus wie auch Etain laufen besser geradeaus. Um das jetzt positiv zu formulieren: kein anderes Boot in dieser Klasse ist auch nur annähernd so wendig wie der Biskaya. Der glatte Boden ohne die Spur einer Kiellinie sorgt für wenig benetzte Fläche (-> höheres Geschwindigkeitspotential) aber auch für ein unerwartet leichtes drehen. Ich kann den Biskaya mit einem (!) Bogenschlag um über 90° drehen. Genauso leicht dreht das Boot über die Kante - es braucht nur wenig Krängung um einen neuen Kurs aufzunehmen. Ja, ich kann den Biskaya HV so weit krängen, dass meine Spritzdecke seitlich im Wasser ist, aber das braucht es gar nicht. Durch den deutlichen Kielsprung kommt das Heck schon recht früh aus dem Wasser und enge Kurvenradien lassen sich auch mit "harmlosem" Kanteneinsatz erreichen. Das gibt Sicherheit in Wellen.

Wenn es stur geradeaus gehen soll, lasse ich das Skeg ein wenig heraus. Nicht zu viel, denn mit weit ausgefahrenem Skeg ist der Kahn kaum noch zu drehen. So soll es sein: zwischen "dreht auf dem Teller" bis "läuft stur geradeaus" liegen 10 cm am Steuerseil. Mit ganz ausgefahrenem Skeg wird das Boot auch deutlich stabiler, was beim photographieren höchst willkommen ist. Insgesamt reagiert das Boot ausgesprochen direkt auf die Skeg-Einstellung. Wenn man den Kurs ändert, bedingt dies meist auch eine Neueinstellung; oft war es mir erst möglich, einen neuen Kurs zu halten, wenn ich die Leine entsprechend verlängert oder verkürzt hatte.

Der Biskaya läuft recht trocken. Der schlanke Bug wird nach oben zum Deck hin breiter, erhöht also vorn das Volumen sobald der Bug eintaucht, und sorgt so dafür, dass nur selten eine Welle über Deck kommt. Die Länge (und eben dieses "trockene-Nase-Verhalten") machen den Biskaya auch zu einem sehr guten Surfer. Man kann jede noch so kleine Welle abreiten, das Boot springt sofort an; dennoch bleibt der Biskaya leicht steuerbar, denn höhere Wellen führen nicht dazu, dass das ganze Vorschiff unter Wasser verschwindet. Es braucht aber Kraft und eine bestimmte Technik, um die ganze Länge des Bootes im Surf auf Kurs zu halten. Weit, weit seitlich lehnen und flach stützen, dabei die Knie anziehen, um den Kahn "in die Kurve" zu zerren. Wenn man es versaut, kann man dennoch ganz anständig vor der Welle stützen. Im Vergleich ist der Biskaya HV etwas leichter in der Welle zu halten als der Etain (der im Surf echt zickig ist) und fühlt sich hier ähnlich wie Quest und Cetus an.

Persönlich habe ich noch nie ein anderes Seekajak so leicht rollen können wie den Biskaya. Das flache Achterdeck und der (weiter oben beschriebene) höchstgradig enge Bootskontakt machen die Sweep-Roll zu einem Kinderspiel. Ich sage es nochmal: rollen ist eine Paradedisziplin des Biskaya HV!

Die scharf eingezogene Nase und das eingezogene Heck verkürzen die Wasserlinie deutlich, dazu noch der Kielsprung und das mittig flache Unterwasserschiff: trotz seiner Länge ist der Biskaya HV kein besonders schnelles Boot. Ich bin noch nicht wieder meine persönliche Bestzeit (aufgestellt 2011 im Kodiak) auf meiner Plattwasser-Hausstrecke gepaddelt. Bei unserer Normandie-Tour waren meine Frau im Prijon Marlin HTP und zwei weitere Clubkameraden in Northshore Atlantik PE und Polyform Shoreline Senior dabei. Einzig in kabbeligen Wellen auf Dünung von rechts hinten habe ich einen Vorsprung herausgepaddelt (vielleicht sollte ich sagen "herausgesurft"); ansonsten war unsere Gruppe stets eng beieinander. Vor Fehmarn gab es insgesamt drei Tage mit Dünung genau 90° von der Seite und Wind zwischen 2 und 4+ Bft. Die Höhe der Wellen (ein Tag auflandig, zwei Tage ablandig) schätze ich auf 40cm bis 1m (kann nicht mehr drüber schauen/verschwinde im Tal). Der Biskaya macht keinerlei Probleme, liegt stabil und vermittelt ein sicheres Fahrgefühl, auch unter diesen "verhassten" Bedingungen. Dreht man leicht ab und nimmt die Welle 45°, so spürt man sofort, dass das Boot surfen will. Ein, zwei Paddelschläge, und man rutscht die Wellen-Vorderkante hinab; bei meinem Gewicht beginnt der Spass etwa mit 40 bis 50cm "hohen" Wogen.


Fazit:

Ich bin mit dem Boot sehr zufrieden, auch wenn die fehlenden/ungeeigneten Fussstützen ein echter Hammer sind. Sie machen das Boot nochmal 90.- Euro teurer und ein paar hundert Gramm schwerer, denn Lettmanns Pedale sind keine Lösung. Ausserdem hat Lettmann tatsächlich wohl nur an "schwer" und nicht an "gross" gedacht, als sie das Cockpit der HV Version geplant haben. Ein cm mehr Höhe und ein innen abgerundeter, nicht scharfkantiger Süllrand würden einen grossen Unterschied machen! Das Boot ist handwerklich ausgesprochen gut gebaut, alles ist passend dimensioniert, es gibt keine Stelle oder Schraube wo man denkt "musstet ihr hier an 10 Cent sparen?". Sogar ein 10 cm langer Faden (1.5mm Dynema) ist bereits in der Skegspitze drin - falls es mal manuell herausgezogen werden muss (zB nach "sandigem" Start).

Ich käme nicht auf die Idee, das Boot einem Anfänger in die Hand zu drücken. Ein sportlicher und motivierter Anfänger käme damit auf jeden Fall klar, aber wer ist schon sportlich und braucht dann die HV Variante? Eben! HV ist nicht für BMI 22. Ebensowenig eignet sich der Biskaya HV für kleine Paddler mit grossem Gepäck. Sowohl meine Frau (1,76/65kg) wie auch ein befreundeter Paddler (1,90/85Kg) finden das Boot recht kippelig und den Sitz zu breit; sie haben keinen anständigen Kontakt zum Boot und finden die LV und MV Varianten wesentlich interessanter.

Wer ein gewisses Gewicht mitbringt, bereits seit einiger Zeit Club-Boote paddelt oder schon solide Wildwasser Erfahrung hat, der kann über den Biskaya HV auch als erstes Boot nachdenken. Lang und schmal aber nicht tückisch ... ein toller Alrounder mit starkem Hang zur Welle. Sagte ich schon, dass das Boot ausgesprochen einfach zu rollen ist?



Biskaya, Marlin und Katrin von s.schmitz auf Flickr



und Tschüss ... von s.schmitz auf Flickr


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... Optimismus ist ein Mangel an Information
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