Hallo Jens
spannendes Thema hier - da bekommt man ja fast wieder Lust, sich reinzuhängen...
Und das CeeGee direkt vor mir gepostet hat ist auch gut :-)
Also zuerst die Fragen:
Wer hat Erfahrungen mit dem Paddeln lernen aus eigener Kindheit?Ich bin Quereinsteiger - vom Segeln kommend. Seit ich 10 bin, bin ich mit eigenen Booten oder denen der Familie unterwegs. Ich habe schon alles gemacht. Segel (auch Regatta) auf Jollen und Dickschiff, Rudern (Skiff und Renn-Skiff), Kanu, Kajak, Motorboot. Mich hat eigentlich immer alles interessiert, wenn es schwimmt. Seit ca. 10 Jahren bin ich nur noch im Kajak unterwegs und baue die Dinger auch gerne mal selber...
Wie, in welchem Alter und in welchem Boot lern(t)en Eure Kinder oder Ihr selbst als Kind, das Paddeln?Mein erstes Boot im Alter von 10 war ein Optimist. Dann habe ich irgendwann die Übersicht verloren.
Meine Kinder (6 und 8) paddeln ein eigenen Einer, angelehnt an einen Greenlander bzw. Anas Acutas - von mir gezeichnet, gerechnet und gebaut.
Was sind die speziellen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen?Kinder sind ambivalent. Mal ganz mutig und unbefangen und mal sehr mit dem Kopf dabei. Das ist Charakterabhängig.
Eine meiner Töchter hat sich ins Boot gesetzt und ist losgepaddelt. "Einfach so". Vorher haben wir viele Kajak-Filme "This is the sea I-III" geschaut. Sie wusste also ein wenig, wie es gehen könnte. Dann haben wir "gespielt". Ich im Trockenanzug im Wasser stehend und sie um mich herum... Ausserdem hat sie beim Bau des Kajaks geholfen.
Meine andere Tochter - jünger - war immer mit dabei und hat auch ihr Boot mit gebaut - ist ganz anders gewesen. Sie hat recht zaghaft im Boot gesessen und war unsicher. Irgendwann hat sie dann verkündet, dass sie erst schwimmen lernen muss, bevor Kajak lernen geht.
Wir sind IMMER mit Weste unterwegs.
Nach dem wir eine gefühlte Ewigkeit zum Badesee getigert sind, hat sei eines Tages verkündet, das sie jetzt Schwimmen kann und ist zum Beweiss zu einem Floss - ca. 50m entfernt geschwommen. Ohne Schwimmhilfe. Danach "konnte" sie Kajakfahren.
Auch beim lernen sind beide sehr individuell. Die Grosse schaut ganz genau, fragt und macht. Die Kleine muss das irgendwie im Kopf machen. Bei ihr geht es teilweise langsamer. Beide haben sonst die gleichen Fähigkeiten (Velo, Ski, Ballett, ...)
Als Papa/Lehrer ist man hier ziemlich gefordert. Was bei der Grossen gut ging, geht bei der Kleinen gar nicht... . Und die Kleine ist etwas frustriert, dass sie nicht so gut ist, wie die grosse Schwester...
Grundsätzlich ist ein Boot wie ein paar Schuhe oder eine Hose. Es muss passen. OK - es darf auch etwas zu gross sein, aber nicht viel zu gross. Meine Kids fahren den "Greenlander4 Kids - S".
Länge: 3800mm
Breite: 440mm
Tiefgang: 90mm
Volumen: 0.039 m^3
Auftrieb: 40kg
cb: 0.3623
Für ein Bild,
hier KlickenGrösser als dieses Boot sollte man für Kinder bis 10 oder 12 Jahren nicht bauen. Bei uns in der Familie ist man mit 5 Jahre alt genug für ein eigenes Boot. Wobei es kein Zwang ist. Mit 2-3 Jahren Erfahrung kann ein Kind auch schon recht gut sagen was passt und was nicht. Die ersten Änderungswünsche sind auch schon eingertrudelt... .
Beim Paddel sollte man die gleichen Grundsätze wie bei einem selbst anwenden. Es muss passen und darf nicht zu lang sein. Die Grosse fährt ein Werner Kinderpaddel (was ich zu schwer finde), die Kleine deswegen ein Werner Carbon Damenpaddel mit dem kleinsten Blatt und dem kleinsten Durchmesser. Beide verstellbar in der Schränkung. Die Grosse fährt am liebsten mit meinem Carbon-Stick (GP) und hat eine eigenen aus Holz "bestellt".
Spezielle Risiken?Keine Spritzdecke, bis die Kinder in der Lage sind, die wirklich zu beherrschen. Und eine etwas "zu grosse" Luke. Schwimmweste ist absolute Pflicht und ich denke ein gewisser Wärmeschutz auch. Unsere Kinder sind im Neo (Shorty) unterwegs.
Man muss selbst sein Boot so beherrschen, dass es alles Vollautomatisch geht, damit man sich auf das Kind konzentrieren kann. Im Notfall ist halt eine Schwimmeinlage und sehr schnelles Handel gefragt.
Die Kinder sollten nach der Paddel-Session die Möglichkeit haben, mit dem Boot zu spielen. Drinn stehen, sich kippen, aus dem Wasser raufrobben, in die Luke tauchen... alles Risiko-Begrenzung.
Wieso sind Kinder im Verein gut aufgehoben?Keine Ahnung. Ich bin
kein Vereinsmeier mehr, nach sehr schlechten Erfahrungen mit Leuten, die nur die eigene Sicht gelten lassen.
Grundsätzlich wären für mich aber die Bedingungen:
- Sehr gute Ausbilder mit entsprechenden Schulungen im Kinder/Jungenbereich und Sicherheitsbezug
- Gruppe von Gleichaltrigen
- Adäquates Material für Kinder (Boot, Paddel, Weste)
- Durchdachtes "Trainingsprogram", dass auf Bootsbeherrschung und nicht auf Leistung aus ist.
Weshalb ein eigenes Paddel oder eine eigene Schwimmweste?Ist die Frage wirklich ernst gemeint? Wer bei der Frage angekommen ist, ob die Kids paddeln sollen, muss auch die Mittel in die Hand nehmen, die es braucht. Es muss ja KEIN Werner Paddel sein, man kann auch selber eines machen oder ein Gebrauchtes ändern, aber es muss passen. Bei der Weste ist es eine Grundsatzfrage. Kann ich damit leben, dass mein Kind ertrinkt? Wenn "NEIN", dann ist die EIGENE Weste, die passen MUSS, Pflicht.
Jeder kennt das, wie es aussieht, wenn Kinder auf einem zu grossen Velo fahren. Unsicher, wackelig, blöd... Genau so ist es im Boot. Ich für meinen Teil verstehe die Argumentation nicht "auf Zuwachs" zu kaufen. Ich kann einen komplexen Bewegungsablauf nur lernen, wenn ich nicht durch das Material behindert werde. Ich kann nur dann Freude an etwas entwickeln, wenn ich Erfolg dabei habe und spürbar im Können zulege. Es gibt zig gute Abhandlungen über die Gehirnfunktionen und das Lernen (Spitzer, Grolimund, Habermacher)... .
Warum und ab wann ein eigenes Boot? Bootsauswahl (Einer/Zweier/SoT/Polo)Ich gehe hier von einer Seekajak Familie aus...
Ab wann? Uh - schwere Frage. Das ist m.M. nach abhängig von den motorischen und psychischen Fähigkeiten des Kindes. Motorisch weil es eine gewisse Körperbeherrschung braucht, den Bewegungsablauf zu lernen. Das ist eine individuelle Entwicklung (Siehe auch Remo Largo - Kinderjahre). Kinder die viel draussen aktiv sind und zig Sachen machen, haben es da einfacher, als Kinder, die nicht motorsich gefordert sind. Dazu muss man sich eigentlich nur mal im Kindergarten umschauen. Die einen können rückwärts balancieren und Seilspringen und Schuhe binden, die anderen können nicht mal richtig Treppen steigen oder auf einem Bein stehen... . Das hat auch was mit Kraft und den gegebenen Möglichkeiten zu tun (Gefahren werden versus selber laufen).
Psychisch deshalb, weil ich bei meinen Kindern erlebt habe, wie es ist, dass die Motorischen Fähigkeiten da wären, aber im Kopf die Angst vor dem Tiefen Wasser sitzt (siehe oben).
Bootswahl: Ganz klar - 1er - Greenland-Style und angepasst auf die Grösse des Kindes oder so wie Anke es macht - Der Seehund sieht gut aus und das Paddel ist ein GP - das kann man gar nicht falsch anfassen...
Ab einer gewissen Körpergrösse dann Umstieg in ein zierliches EW-Boot (Anas Acuta, Tahe Greenlander).
Ich halte übrigens weder etwas von "Stützrädern" am Velo noch was von "Stützschwimmern". Man kommt als Kind auch mit 44cm zurecht und das Boot gibt einem ja Feedback, bis wohin man kippen darf. Es gehört auch dazu, einen Fehler zu machen. (Die Entenfeder zu greifen und plumps...). Erstaunte Blicke inklusive. Dann macht man es nur 1x oder 2x Falsch und versucht lieber besser an die nächste Feder ranzufahren... .
Wie sieht es aus, wenn man 6 Jahre ist und paddelt:
http://www.holzbootsbau.ch/mywp/?p=844Ein paar Gedanken, was man machen könnte:
http://www.holzbootsbau.ch/mywp/?p=806Utensilien zum Spielen:
Ball (Kajakpolo spielen, werfen im Boot)
Pet-Flasche mit Sand, damit sie aufrecht schwimmt (evtl. mit Schnur und Anker-Stein) zum Slalom paddeln oder für Rennen
Das mag dem Einen oder Anderen etwas provokant vorkommen, aber ist nicht bös gemeint. Unsere Gesellschaft und die Erwachsenen stehen den Kindern sehr oft im Weg (Stichwort: Helikoptereltern) - Kinder können sehr viel mehr als wir ihnen oft zutrauen. Gleichzeitig bedeutet das aber auch, die eigenen Erwartungen mal beiseite zu legen und zu sehen, was sich entwickelt.
Touren gehen mit deutlichen Abstrichen... Sicherheit ist ein MUSS, kein Nice-to-Have. Sonst sehe ich das so wie CeeGee und Anke...
Die, die es lesen sollten, lesen dieses Forum eh nicht und paddeln wohl auch nicht, die die es lesen sind sich wahrscheinlich der Konsquenzen Bewusst und haben es tief im Innern eigentlich schon gewusst ... Wieviele Boote braucht ein Mensch? Eins mehr!!!!
Soweit meine Inputs - nach über einem Jahr Forenpause... .
Axel Thobaben
( [
www.holzbootsbau.ch])