Moin!
Hier mal die Eindrücke eines älteren Paddelanfängers (ich gehe stramm auf die 60 zu) und Ersttäters bei dem 1.000 Seen Marathon vom letzten Wochenende.
Die Veranstaltung fasste ich ob ihres interessanten Namens, der allseits guten Kritiken und wegen des offenbar zunehmenden Kultcharakters bereits im Frühjahr ins Auge. Außerdem hatte ich bislang noch an keiner Paddelveranstaltung teilgenommen und war neugierig, wie so etwas ablaufen mag.
Meine Anreise zum Veranstaltungsort, der Biwak-Wiese an der Diemitzer Schleuse, erfolgte Donnerstagabend - mit einem vorhergehenden Zwischenstop bei einem bekannten Berliner Kanu-Laden, weil ich dort noch einen Geschenkgutschein einlösen wollte. Zufällig ergab es sich in dem Laden, dass man mir irgendein Test-Paddel mitgab, weil ich noch kein Paddel habe, mit dem ich so richtig zufrieden bin. Das was, ich eigentlich ausprobieren wollte, war anderweitig auf Testtour und so gab man mir das, was man noch da hatte, ein Epic Midwing Large aus einem Karbon-Kevlar Mix.
Da es abends schon sehr dunkel war, konnte ich bei der Anreise von der Landschaft um die Diemitzer Schleuse nicht viel sehen, war aber am nächsten Tag von der traumhaft schönen Umgebung mit Seen, Wäldern, Wiesen und kleinen Dörfern absolut begeistert. Das Ganze erinnert mich sehr an die masurische Seenlandschaft in Ost-Polen.
Das Wetter war Freitag wie Donnerstag mit ca. 15 Grad Maximaltemperatur tagsüber recht kühl und durchgehend stark windig und böig mit Regenschauern zwischendurch. Die Biwak-Situation wirkte für mich bei Tageslicht betrachtet zuerst etwas spartanisch. Die Alternative des Campingplatzes am Labus-See habe ich dann jedoch nicht wahrgenommen, da der kalte Wind voll auf der Bucht/dem Zeltareal des Platzes stand und man dort total ausgekühlt wäre. Außerdem war die Aktion ja auf dem Platz an der Diemitzer Schleuse. Also blieb ich auf dem Biwakplatz und stellte nach und nach fest, dass dieser gar nicht so übel war und alles Notwendige wie Sanitäranlagen, Duschen, Verpflegungs- und Getränkestand sowie einige bekannte Händler mit Testbooten und Paddelzubehör vorhanden war. Die gesamte Veranstalter-Crew war auf eine natürliche Art und Weise supernett und um die Teilnehmer bemüht.
Meine Zeltnachbarn waren u.a. drei Seekajakfahrer aus Stade.
Bis Freitagabend hatte ich mich noch nicht entschieden, ob ich die 21 km oder 42 km paddeln sollte. Aus mehreren Gründen habe ich mich dann etwas schweren Herzens für die "Unterdistanz" bzw. Sprintstrecke über 21 km entschieden:
- paddeltechnisch stehe ich nach bislang in der Saison abgespulten max. 300 km überhaupt nicht im Training
- nach einer vor zwei Wochen absolvierten 10,5 Stunden Kombinations-Langdistanz verschiedener Disziplinen bin ich noch in der Regenerationsphase und hatte keine Lust, mich jetzt schon wieder zu schinden, worauf es bei 42 km und dem über mindestens 20 km
sehr starken Gegenwindwind sicherlich hinausgelaufen wäre
- ich wollte ein bis auf ein paar kurze Testrunden mir vollkommen unbekanntes Paddel benutzen - mit unbekannem Erfolg
- ich war ob des starken Windes und der Wellenbildung auf den Seen skeptisch, wie das mein Boot - besonders auch in Kombination mit dem unbekannten Paddel - verpacken würde, war ich von zu Hause doch fast nur eher Ententeichbedingungen gewohnt.
Als Boot hatte ich meinen im letzten Herbst und bisher von mir nur wenig gepaddelten Struer Boats Surfer dabei, ein fast 30 Jahre altes und mit derzeit fahrfertig gut 18 kg aus meiner Sicht relativ schweres, vergleichsweise kleinvolumiges Boot aus der dänischen Tourenboot-Klasse. Der Kahn ist 5,20 m lang und 51 cm breit mit einem auffallend niedrigen Vorder- und Achterschiff, Stemmbrett, Zugrolle, Pinnensteuer, Marathonspritzdecke mit Reißverschluss. Peter Hoyer von Lettmann, an dessen Ausstellungsstand ich das Boot mehrmals vorbeitragen musste, um zum Einsetzfloß zu kommen, rief bei einer dieser Passagen dann mal laut: " Da ist ja wieder die Flunder!" und damit hat das Boot jetzt endlich auch seinen passenden offiziellen Namen bekommen.
Danke Peter!
Meine Seekajaknachbarn bestärkten mich im Hinblick auf die Zweifel für die Tauglichkeit meines schmalen und anscheinend kippligen Oldtimers für bewegte Wasser- und Wetterverhältnisse zugunsten der Seekajaks.
Start für die 21 km war um 9 Uhr wie in den Vorjahren neben dem Starterfloß auf dem Großen Peetschsee, von wo aus der Pulk der geschätzt 90 oder 100 (?) Boote dann nach vielleicht 100 m in voller Beschleuningung bzw. im Renntempo sich in den nur max. 10 m breiten Kanal begeben müssen. Unerfahren, wie ich im Hinblick auf solche veranstaltungen bin, dümpelte ich vor dem Start ziemlioch mittig in der ersten Reihe der Masse der Boote. Beim Startzeichen sah ich rechter Hand, dass die sich im Rücken des Starters positioniert habenden Fahrer der Rennkajaks und flotten Tourenboote mit einem fliegenden Start (ich will es nicht Frühstart nennen) schon full speed in Richtung Kanal unterwegs waren. Ich bin dann mit der Spitze des Hauptfeldes in den Kanal, in dem sich innerhalb von Sekunden von den Kanalflanken reflektierte, unkalkulierbare 20 bis 30 cm hohe, schwappende Wellen aufbauten, die einige Boote aus dem Kurs laufen ließen. Plötzlich war ich nicht mehr in einer Sportveranstaltung, sondern einer Seeschlacht. Mein Boot wurde von einem nach links quer zur Fahrtrichtung schießenden Faltbootzweier in Mixed-Besetzung rechts am Achterschiff gerammt, der dann längsseits ging und mich neben das links von mir befindliche Boot drückte. Da für mich so keine Möglichkeit mehr bestand, das Paddel einzusetzen, hing ich erstmal fest, von hinten schossen weitere Boote heran, rechts zogen geschätzt vierzig bis fünzig Boote vorbei, bis sich das Chaos wieder sortiert hatte. Zum Abschied bekam ich von dem Faltbootfahrer noch eine volle Kelle Wasser mit dem Paddel auf meinen Paddelpulli geworfen. Hinter uns schrie ein junges Mädchen in einem Einer immer: " Ich hab mein Paddel verloren! Ich hab mein Paddel verloren!"
Als Langstreckensportler bin ich über diese Startkultur mehr als verwundert, werden 21 oder 42 km doch nicht auf den ersten 100 m oder auch dem ersten km entschieden. Auch impliziert die Situation des einen großen schwarm unsortierter Boote in das Nadelöhr Kanal zu zwängen allein schon genug Probleme, zu deren Vermeidung m.E. der Veranstalter schon alleine aus Fürsorgepflicht für die Teilnehmer Einiges tun könnte. So könnten die Boote nach Geschwindigkeit oder Vorjahreszeiten sortiert (Gruppe unter 2.30 Stunden Zielzeit, unter 2:45 Zielzeit, unter 3:00 Zielzeit etc.) Aufstellung nehmen und starten. Auch könnte man die Paddler bitten, das Rennen mit Köpfchen anzugehen.
Nach dem Kanal war dann genug Platz und ich konnte einige Boote passieren. An der Umtragestelle Fleether Mühle war dann beim Aussetzen Stau. Vor dem erneuten Einsetzen entledigte ich mich erstmal meiner nassen Sachen, machte einen Boxenstop im Gebüsch, ließ nochmal geschätzt 15 Boote passieren und paddelte dann im Funktions-T-Shirt und Schwimmweste weiter.
Die Wind und Wasserbedingungen machten meinem Boot und mir weniger zu schaffen, als ich dachte. Ich versuchte, meinen Rhythmus zu finden und Frequenz zu halten, ließ aber im vertrauen auf die dänischen Bootskonstrukteure das Boot tun, was es tun wollte, hielt es nur auf Kurs und Geschwindigkeit. Durch die niedrige Bauweise war es wenig windempfindlich, stach aber mehr durch die Wellen, als dass es darüber ging.Es hat während der Tour aber keinen Tropfen Wasser genommen, obwohl Wellen zwar sehr selten, aber manchmal bis zur Lucke schwappten. Seit dem Umtragen überholte ich nach und nach die übrigen Teilnehmer, kurz vor der Wendemarke nach vielen anderen zu unserer allseitigen Überraschung auch die Seekajaks meiner Zeltnachbarn, die mehr durch die Wellen stampften, als die kürzeste Verbindung von A nach B zu nehmen. Die Windstärke betrug nach Einschätzung der Seekajaker ca. 4 (bis 5), in Böen 6, teilweise hatten die Wellen weiße Schaumkronen.
Na ja, meine Zielzeit war nach dem Desaster am Anfang eine überraschende 2:16:06, vorneweg waren noch acht Rennkajaks und fünf andere Einer, wenn ich das richtig erinnere. Für den Moment reichte es mir dann auch Samstag Mittag, zumal der Wind einen doch mit der Zeit auskühlte und es zum Schluss noch zu regnen begann. Aber es hat Spaß gemacht und ich freue mich seitdem noch mehr, ein so gutes Boot zu haben, was mich da so sicher durchgetragen hat ohne auch nur einmal zu wackeln.
Alle, die an dem Tag ihre Strecken gepaddelt sind, haben meinen vollen Respekt.
Insgesamt war es aus meiner Sicht ein prima Wochenende auf einer tollen Veranstaltung mit sehr guter Organisation, die unbedingt ein Wiederkommen erfordert.
Beste Grüße!
Wackelpeter