Ihr habt natürlich alle recht, dass man beim Paddeln flussabwärts mit dem Ebbstrom letztlich weniger Zeit bleibt bis zum nächsten Niedrigwasser. Die Verlängerung der Ebbe schwächt den Effekt des gegen die Richtung der Gezeitenwelle Paddelns aber doch ein bißchen ab.
Im Tidenkalender ist dieser Effekt der "Verformung der Tidenwelle im Ästuar" oder mit anderen Worten die Verlängerung der Dauer der Ebbe schon berücksichtigt: für heute ist laut Tidenkalender in Bremerhaven HW 10:01, NW 16:14 h, für Bremen Oslebshausen HW 11:40, NW 18:47 h, also eine Dauer der Ebbe für Bremerhaven 6 h 13 min, Bremen 7 h 07 min. Für die Elbe sind die Werte noch extremer: Cuxhaven: 6 h 44 min Ebbe, St. Pauli: 7 h 22 min Ebbe, Zollenspieker: 8 h Ebbe. Gesamtdauer Ebbe und Flut dabei natürlich gleichbleibend etwa bei 12 Stunden, 24 min, so dass sich die Flutdauer entsprechend verringert. Das wenige, was man dadurch gewinnt, ist tatsächlich bei der Fahrt flussabwärts schnell wieder aufgefressen, da man ja entgegen der nächsten Flutwelle fährt.
Trotzdem hilft der Tidenkalender für den Paddler, der sich ja auch für die Strömung interessiert, nicht nur für den Wasserstand, offenbar nicht immer weiter. Hier ein Zitat von Siegfried Fuß aus der Kanusport 2/2004 (abrufbar auf [
kvu.der-norden.de]): "Wir waren genau zu dem Zeitpunkt auf der Elbe (erg.: bei Otterndorf), zu dem laut Tidenkalender Niedrigwasser eintreten sollte. Da drei Tage vorher Neumond war, rechnete ich damit, dass die Ebbe wegen der Springtide noch etwa eine Stunde nachlaufen würde. Es wurden schließlich fast zwei Stunden daraus, die wir gegen die Strömung fahren mussten." Also, entweder das BSH hat vergessen, die Springtide zu berücksichtigen (unwahrscheinlich...). Oder es interessiert sich in erster Linie für den Wasserstand, also Hochwasser/Niedrigwasser, nicht so sehr für die Gezeitenströmung an der Flussoberfläche. Das muss aber doch nicht immer zusammenfallen! Dieser Effekt des Nachlaufens der (Oberflächenströmung-)Strömung bei auflaufendem Wasser kann doch eigentlich ganz plausibel erklärt werden mit der unterschiedlichen spezifischen Dichte von Salz- und Süßwasser: die das schwerere Wasser der Flut schiebt sich dann wie ein Keil unter das oberflächlich noch flussabwärts strömende Wasser des nachlaufenden Ebbstroms. Obwohl es erstaunlich ist, dass es im obigen Beispiel 2 Stunden anhält - trotz der relativ turbulenten Strömung in der Elbmündung bei Springtide, die doch schnell zu einer Durchmischung führen sollte.
Zur Wesertidenrallye ist mir noch eingefallen, dass die ja in den letzten Jahren immer erst eine Stunde nach Niedrigwasser angefangen hat. Ist das nur wegen der Möglichkeit zum Einsetzen der Boote - oder etwa auch wegen nachlaufender Ebbströmung, die einem sonst am Anfang noch zu schaffen machen könnte? Vielleicht wird beim Paddeln weserabwärts entsprechend die Zeit nach Niedrigwasser nicht genutzt, da befürchtet wird, man müsse gegen die Strömung paddeln!? Aber Ihr vom KVU müsstet den Effekt des nachlaufenden Ebbstroms doch eigentlich kennen, wenn es ihn denn gibt.
Ach ja, gerade eben habe ich noch mal bei der Strömungsvorhersage des BSH nachgesehen (http://www.bsh.de/aktdat/modell/stroemungen/Modell1.htm). Erst
nach 19 Uhr gibt es eine nennenswerte Flutströmung auf der Weser vor Bremerhaven. Obwohl um 16:14 Uhr NW war. Also seid Ihr Euch wirklich sicher, dass eine Tidenrallye flussabwärts nicht mögich wäre? Ich bin mir nicht mehr so sicher.
Gruß
Olaf