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Lettmann Aurora und VCS-Laminat

geschrieben von Benat 
Lettmann Aurora und VCS-Laminat
01. Februar 2017 17:49
Auch wenn das Aurora von Lettmann schon mal im Forum besprochen wurde, möchte ich Euch
nach konkreten Erfahrungen mit diesem ladefreundlichen Seekajak fragen.
Aufgrund der gesamten Eigenschaften wäre es für mich derzeit die 1. Wahl als gemäßigtes Touren- und Seekajak - jedoch nicht für
Fahrten bei Windstärke 6 an den Orkney-Inseln - auch wegen des sehr geringen Gewichts und der kompakten Bauweise -
bitte jedoch keine Tipps zu anderen Kajaks, die sicherlich auch ganz toll sein mögen!

Lettmann bietet ab 2017 für die meisten Kajaks das superleichte und angeblich besonders stabile
Laminat VCS an - hat schon Jemand mit dem VCS reale Erfahrungen?
Es soll im Vergleich zu LCS (Carbon-Aramid) nochmal 5 - 10 % Gewichtsminderung erbringen,
was natürlich seinen (hohen) Preis haben wird...
Re: Lettmann Aurora und VCS-Laminat
01. Februar 2017 18:06
Ja ich habe Erfahrung mit dem VCS,ein Super-Material... die 5-10 % Gewichtseinsparung.....kann ...muss aber nicht so sein.
Re: Lettmann Aurora und VCS-Laminat
01. Februar 2017 18:54
Die Gewichtsersparnis von X Prozent bezieht sich immer nur auf den vergleichbar nackten Rumpf. Weil im Gesamtgewicht aber eben auch Sitz, Leinen, Lukendeckel und allerhand Kleinkram enthalten sind - und diese Teile durch ein anderes Rumpflaminat kein Gramm leichter werden - bleiben von zB 5% Gewichtsvorteil am Ende nur 2 bis 3% ... ein paar hundert Gramm anstatt einige Kilo
Re: Lettmann Aurora und VCS-Laminat
02. Februar 2017 20:21
Nun ja, das sind die typischen Lettmann-Materialien im Laminatbereich. Habe sie als Muster in Form von kleinen Platten im Rahmen eines Beratungsgesprächs in der Hand gehabt. Hatte auch Gelegenheit, die Bruchfestigkeit unter Last zu testen. Wegen des Preises habe ich mich dann für DCS entschieden.

Als Fahrtenleiter habe ich Möglichkeiten, die verschiedenen Materialien in täglicher Anwendung zu beobachten. Da sieht man dann, was für den jeweiligen Anwendungsbereich am ehesten geeignet ist.

Meine Einschätzung im Laminatbereich nach langjähriger Beobachtung:

DCS steht für robust und nicht so teuer, aber etwas schwerer.
LCS steht für leicht, etwas teurer, aber empfindlicher.
VCS steht für noch leichter, richtig teuer, aber auch sehr robust - besser geht es (noch) nicht.

Es muss nicht Lettmann sein, andere können es auch. Am robustesten als Material ist das HTP von Prijon, dafür besonders schwer und man muss es mögen. Ich mags nicht mehr.

Hans-Hagen

werschnellerlebtistfrüherfertig
Re: Lettmann Aurora und VCS-Laminat
05. Februar 2017 08:58
DCS steht für Diolenhandlaminat mit Polyesterharz
LCS steht für Carbon-Kevlar-Sandwichhandlaminat mit Vinylesterharz
VCS steht für Carbon-Kevlar-Diolen-Sandwichlaminat in Vakuuminfusionstechnik mit Epoxidharzen und wärmebehandelt (Und entspricht damit in etwa der Klasse F - G von Nelo)

Diolen ist in etwa vergleichbar mit Glasfasern, aber eine synthetische Faser mit etwas verbesserten Festigkeitswerten. Handlaminat bedeutet, dass das Gewebe von Hand getränkt und ohne zusätzliches Pressen bei normalen Temperaturen aushärtet. Dies hat ein relativ hohes Harz zu Gewebeverhältnis zur Folge und ist entsprechend schwer, da der Großteil der auftretenden Kräfte im Gewebe und nicht im Harz abgefangen wird. Ein sehr gutes Handlaminat ist aber kaum schwerer als ein schlechtes Vakuumlaminat.
Ein Vakuumlaminat bedeutet, dass nach dem Tränken der Fasern von Hand eine Folie über die Gewebelagen gelegt und damit das Laminat unter Vakuum aushärten kann. Der Vorteil ist, dass es einfacher ist Lufteinschlüsse zu vermeiden. Von Nachteil ist, dass immer noch die gleiche Menge Harz im Gewebe ist. Infusionstechnik bedeutet, dass das trockene Gewebe mit einem Vakuum versehen wird und anschließend ein Schlauch in einen Harztopf geführt wird. Über diesen zieht die Vakuumpumpe das Harz ins Gewebe und verteilt es sehr gleichmäßig. Das ergibt ein etwas besseres Endprodukt, da die Kräfte gleichmäßiger aufgenommen werden. Das Tempern bzw. Wärmebehandeln sorgt für ein gleichmäßig warmes Produkt und somit für eine gleich schnelle Aushärtung im gesamten Bootskörper. Dadurch lassen sich Spannungen im Aushärteprozess verringern und die Steifigkeit des Bootes erhöhen. Das Gewicht wird nicht beeinflusst.
Sandwich bedeutet einfach nur die Verwendung mehrerer Materialien. In der Regel meinen die Hersteller damit die Verwendung von einem zusätzlichen Kernmaterial, das eigentlich angegeben werden sollte. Es kann sich um eine Matte oder eine Wabe handeln. Die Vor- und Nachteile liegen hier in Gewicht zu Reparaturfreudigkeit. Insbesondere an Stellen, wo keine Stöße zu erwarten sind ist eine Wabe von Vorteil. Hintergrund ist eine Erhöhung der Steifigkeit durch größere Wandstärken ohne eine massive Gewichtszunahme.

Reparieren lassen sich alle diese Boote. Je nach verwendetem Kernmaterial ist es eine Arbeit für Profis oder "normale Menschen."

Dazusagen müsste man noch: Eine Faser ist nicht immer identisch. Es gibt gewaltige Qualitätsunterschiede und die merkt man primär am Preis. Das gleiche gilt für die Kosten für die Freigabe gemäß Luftfahrtnorm oder germanischem Lloyd. Hierin liegen oft die Preisdifferenzen zwischen günstigen und teuren Laminatbooten begründet. Ein weiterer Faktor sind die Harze, die sich ebenfalls stark unterscheiden und Lohnkostendifferenzen. Hinzu kommt der Preis für bestimmte Logos (da verwenden einige Hersteller sehr sehr teure Folien, vergoldet oder so)

In China gefertigte Boote werden in der Regel vakuumgezogen, wärmebehandelt und nur mit Epoxidharzen gebaut. Das ist günstiger, kann teurer verkauft werden und es ist chinesischen Firmen meist egal ob sie nun eine Zugverkleidung, ein Ruderboot oder ein Kajak bauen. Es wird einfach das gebaut, was der Auftraggeber ihnen vorgibt. Jahrelange Erfahrung in einem bestimmten Bereich weisen dabei nur sehr wenige Firmen auf. Das ist wiederum der Vorteil von den meisten westeeuropäischen Firmen. (Kategorie unnützes, aber ganz nettes Halbwissen)

Zu dem Bootstyp selbst kann ich nichts beitragen.
Re: Lettmann Aurora und VCS-Laminat
05. Februar 2017 09:47
Vielen Dank für den tollen und sachkundigen Beitrag!

Die Frage für mich ist, ob sich durch das ausgefeilte VCS-Laminat nicht nur die Steifigkeit des Kajaks, sondern auch
die Bruchanfälligkeit bei Kontakt zu Steinen etc. verbessern wird.
Re: Lettmann Aurora und VCS-Laminat
05. Februar 2017 10:32
Die Bruchanfälligkeit sollte bei diesen beiden Systemen sehr ähnlich sein und eher vom verwendeten Kernmaterial abhängen. Ich würde vermuten (weiß es aber nicht), dass Lettmann hier das gleiche Grundsystem verwendet. Eine minimale Verbesserung könnte aufgrund der Temperung und damit der Reduzierung von Vorspannungen im Laminatsystem entstehen, die sich in der (Wander-) Praxis aber nicht zeigen wird.

Bei diesen Booten rechne ich eher damit, dass es bei Steinkontakt in der Vorwärtsbewegung nur zu Kratzern im Gelcoat kommt und bei Stoßkontakt durch Wellenhub oder unsanftem Absetzen primär zu Absprengungen des Gelcoats. Das Gelcoat ist die äußerste, meist farbige, Schicht des Bootes. Sie sorgt dafür, dass wir erstens etwas zum Wegreiben vor dem Laminat haben und zweitens kein Wasser durch Kapillareffekte durch die Gewebematrix gesogen wird. Im Aufbau kommt in der Form erst eine Trennschicht, dann das Gelcoat und darüber die Fasern/Waben/Matten/Fasern/Innenlackierung. Einige Hersteller bringen UV stabilisierende Elemente mit ins Gelcoat ein, andere Lackieren ihn nach dem Aushärten. Manche lackieren auch direkt auf die Trennschicht und bringen anschließend das Gelcoat darauf an. Alle diese Verfahren haben natürlich Vor- und Nachteile und in Abhängigkeit der Durchführung kann es an den Trennstellen der einzelnen Schichten zu Abtrennungen kommen. Das sind dann besagte Gelcoatabplatzer.

Persönlich würde ich bei einem Lettmann Kajak LCS kaufen. Gegenüber DCS sollte eine deutliche Gewichtseinsparung möglich sein, es ist relativ reparaturfreundlich und VCS bietet nicht den Mehrwert. Für die 500 Euro bekomme ich schon wieder ein halbes PE Kajak oder ein sehr gutes Paddel.
Anonymer Teilnehmer
Re: Lettmann Aurora und VCS-Laminat
05. Februar 2017 13:03
Aus dem Chemieunterricht erinnere ich mich, dass Wärme, auch die Wärme beim Tempern, die Polymerisation fördert. Längere Polymerketten ergeben mehr Festigkeit. – Sonst d'accord.

Ein Satz hat mir besonders gut gefallen, nämlich der, dass gutes Handlaminat kaum schwerer ist als Vakuum-Laminat. Laminiert man nass-in-nass saugt das darübergelegte Gewebe resp. die Matte das überschüssige Harz der darunterliegenden auf. Leider stehen die Kosten für einen guten Laminierer in einem schlechten Verhältnis zu denen für Folie und Pumpe.

Chris
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